Pest der kleinen Wiederkäuer

PPR

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Steckbrief

Die Pest der kleinen Wiederkäuer (Peste des petits ruminants, PPR) ist eine hochansteckende akute, hoch fieberhaft verlaufende Virusinfektion der Schafe und Ziegen. Gelegentlich erkranken auch andere Paarhufer. Der Mensch kann sich nicht infizieren.

Vorkommen

Die Pest der kleinen Wiederkäuer ist endemisch in Afrika, im Mittleren Osten, Zentral-, Mittel- und Ostasien. Es gibt regelmäßige Ausbrüche in Nordafrika und in der Türkei. In Europa wurde im Juni 2018 erstmals das Auftreten in Bulgarien gemeldet. 2024 wurden Ausbrüche in Griechenland und Rumänien gemeldet.

Wirtstiere

Schafe und Ziegen, aber auch Hausrind, Büffel, Wildwiederkäuer (z. B. Hirsch, Steinwild, Gazellen, Antilopen), Dromedar, Schweine. Das Hausrind und Büffel sind empfänglich, allerdings scheiden sie kein Virus aus und zeigen keine Krankheitssymptome. Jedoch findet Serokonversion statt.

Infektionsweg

Hauptsächlich durch engen direkten Kontakt mit infizierten Tieren oder deren Ausscheidungen, auch über die Luft (aerogen)

Inkubationszeit

4 bis 5 Tage

Symptomatik

Hohes Fieber (40 bis 41,5 °C), Anorexie, Verstopfung, Nasen- und Augenausfluss, starker Durchfall, Lungenentzündung, Gewichtsreduktion, Verlust der Fruchtbarkeit, reduzierte Milchproduktion, Tod

Therapie

Es gibt keine Therapie

Vorbeugung

Es gibt derzeit keinen in Europa zugelassenen Impfstoff zur Bekämpfung der Seuche

Situation in Österreich

Die Pest der kleinen Wiederkäuer ist in Österreich noch nie aufgetreten.

Fachinformation

Die Pest der kleinen Wiederkäuer ist eine Tierseuche der kleinen Wiederkäuer, der Schafe und Ziegen. Ziegen erkranken meistens schwerer als Schafe, wobei häufig ein Großteil der Herde betroffen ist. Jungtiere werden von dieser Erkrankung stärker in Mitleidenschaft gezogen als Alttiere. Es sind jedoch auch andere Paarhufer wie das Hausrind, Büffel, und Wildwiederkäuer (z. B. Hirsch, Steinwild, Gazellen, Antilopen) sowie das Dromedar davon betroffen. Manche dieser Paarhufer zeigen häufig keine Krankheitssymptome (z. B. das Hausrind).  Das Hausrind und Büffel scheiden kein Virus aus, jedoch findet eine Serokonversion statt. Wildwiederkäuer und Dromedar können Virus ausscheiden. In der Mongolei kam es 2017 zu einem Krankheitsausbruch mit hoher Mortalität bei Saiga-Antilopen. Experimentelle Infektionsversuche haben gezeigt, dass europäische Schweine für dieses Virus empfänglich sind, klinische Anzeichen der Krankheit zeigen und in der Lage sind, die Krankheit auf kleine Wiederkäuer zu übertragen, mit denen sie in Kontakt kommen.

Die Pest der kleinen Wiederkäuer zeichnet sich durch eine hohe Morbiditäts- und Mortalitätsraten (90 bis zu 100 % sind möglich), insbesondere in Ländern mit erstmaligem Vorkommen aus. Sie verursacht hohe wirtschaftliche Verluste, da bei Infektion der Bestand gekeult werden muss. Infizierte Schlachtkörper müssen vernichtet werden und dürfen, wie auch Rohmilchprodukte infizierter Tiere, nicht in den Handel gelangen.

Der Erreger der Pest der kleinen Wiederkäuer ist das Peste des Petits Ruminants virus (PPRV) bzw. Small Ruminant Morbillivirus (SRMV), ein Paramyxovirus (Genus Morbillivirus), welches mit dem Erreger der Rinderpest, dem Rinderpestvirus (RPV) genetisch eng verwandt ist. Obwohl eine Antigenverwandtschaft zum RPV besteht, lässt sich das PPRV deutlich davon abgrenzen. Der Serotyp PPRV spaltet sich in 4 unterschiedliche Genotypen (I-IV) auf.

Vorkommen

Die Pest der kleinen Wiederkäuer ist endemisch in Afrika, im Mittleren Osten, Zentral-, Mittel- und Ostasien. Die PPRV-Linie IV hat sich zuletzt sehr in Asien (z. B. China, Nepal, Indien, Pakistan) und Afrika (vom Norden bis Tansania) ausgebreitet. Es gibt jedes jahr Ausbrüche in der Türkei (2005-2024). In Europa ist erstmalig ein Auftreten in Bulgarien im Juni 2018 gemeldet worden. 2024 wurden Ausbrüche in Griechenland und Rumänien gemeldet.

Übertragung

Die Übertragung erfolgt hauptsächlich durch engen direkten Kontakt mit infizierten Tieren oder deren Ausscheidungen, kann jedoch auch aerogen über den Respirationstrakt erfolgen. Die Virusausscheidung ist vor der Ausprägung von klinischen Symptomen möglich. Sie erfolgt über die Tränenflüssigkeit, das Nasen- und Rachensekret sowie den Kot. Der Urin und Speichel von Ziegen ist ebenfalls virushaltig. Im Kot von Ziegen konnte bis zu 2 Monate nach Erholung Virus nachgewiesen werden. Tiere, die PPR-Infektionen überstehen sind immun gegenüber Reinfektion sowie auch gegenüber anderen Genotypen.

Eine Übertragung des PPRV über die Rohmilch von Ziegen ist aufgrund wissenschaftlicher Untersuchungen (Ausbruch in Bangladesh 2012-2015) belegt.

Es gibt keine vertikale Transmission des PPRV über die Plazenta.

Symptomatik

Ziege und Schaf, Rind, Schwein, Wildwiederkäuer sind empfänglich. Die Pest der kleinen Wiederkäuer verläuft bei Ziegen meist dramatischer als bei Schafen und führt bei 100 % der Ziegenkitze (älter als 4 Monate, die nicht mehr durch maternale Antikörper geschützt sind) zum Tod. Bei Rindern und bei manchen Wildwiederkäuern löst das Virus eine subklinische Erkrankung aus. Eine hohe Morbidität und eine variable Mortalität sind typisch für PPR. Die generelle Sterblichkeitsrate variiert zwischen 10 und 90 %.

Die Inkubationszeit beträgt 4-5 Tage, danach, ab dem 6. Tag, wird hohes Fieber beobachtet. Es kann eine prodromale und eine erosive Phase unterschieden werden können.

Die Prodromalphase, die vorwiegend Symptome einer Allgemeinerkrankung zeigt, kann 3 Tage dauern und kann mit ulzerös-nekrotisierenden Entzündungen in der Maulhöhle und des Zahnfleisches einhergehen. Die befallenen Tiere zeigen meist hohes Fieber zwischen 40 und 41,5 °C. Weitere wichtige klinische Erscheinungen sind Anorexie, Verstopfung, seröser Nasen- und Augenausfluss, starker Durchfall und Lungenentzündung. Durch den wässrigen Nasen- und Augenausfluss bilden sich Krusten an den Augen und Nasenlöchern.

Zu Beginn der erosiven Phase kommt es zur Entwicklung von Erosionen, Ulzera und Nekrosen der Maulschleimhaut. Erosionen können mitunter im gesamten Gastrointestinaltrakt nachgewiesen werden (häufig mit einer streifenförmigen Musterung „Zebrastreifen“). Gelegentlich tritt auch eine Lungenentzündung auf. Sie  ist charakterisiert durch eine bronchointerstitielle Pneumonie mit Nachweis viraler zytoplasmatischer Einschlsskörperchen und Synzytien.

Bei hoch empfänglichen Tieren kommen neben akuten auch perakute Verlaufsformen vor, die kurz nach der Prodromalphase sofort zum Tod führen. Umgekehrt gibt es auch eine chronische Verlaufsform, die meist durch schwach virulente Viren ausgelöst wird. Sie verursacht kaum sichtbare Läsionen bis stark ausgeprägte noduläre Proliferationen im Maulbereich.

Aufgrund des Ausbruches in Bulgarien, ist auch bei ähnlich auftretenden Einzelsymptomen eine labordiagnostische Untersuchung über die Ausschlussdiagnostik bzw. bei Verdacht eine Verdachtseinsendung über den Amtstierarzt angezeigt. Da die Krankheit in Österreich noch nie aufgetreten ist, die Symptomatik kaum bekannt ist, ist auch bei Auftreten einzelner symptomartigen Veränderungen im Bestand eine Ausschlussdiagnostik angezeigt.

Differentialdiagnose: Alle erosiven oder vesikulären Haut- und Schleimhauterkrankungen der Wiederkäuer mit schwerer Störung des Allgemeinbefindens, z. B. Schaf- und Ziegenpocken, Lippengrind, Maul- und Klauenseuche, Blauzungenkrankheit, Contagious caprine pleuropneumonia, Pasteurellosen, Salmonellosen, Kokzidiose

Vorbeugende Maßnahmen

Das Betreten des Stalles sollte Fremdpersonen mit Ausnahme des Tierarztes untersagt werden. Haustiere (Hunde, Katzen) sind ebenso vom Betreten abzuhalten.
Für alle Personen, die den Stall betreten gelten strenge Hygiene- und Biosicherheitsmaßnahmen – diese sind unbedingt einzuhalten.
Vorbeugend sollte man keine fremden Tiere, deren Gesundheitsstatus nicht bekannt ist, gleich in den Bestand eingliedern. Eine Quarantäne von 3–4 Wochen kann, wie auch die  Nachfrage über  ein mögliches Krankheitsgeschehen in der Herkunftsherde die Gefahr eines Krankheitseintrages in den Bestand wesentlich verringern. Die Verbreitung und Übertragung von PPR durch Tierverkehr in Regionen mit nicht-geimpften Tierpopulationen spielte in der Türkei eine große Rolle.

Seitens der FAO und der WOAH besteht das Bestreben die Krankheit bis 2030 zu eliminieren. Es gibt derzeit keinen in Europa zugelassenen Impfstoff zur Bekämpfung der Seuche. Abgeschwächte Lebendimpfstoffe (z. B. auf Basis des Stammes Nigeria-75/1) werden außerhalb Europas  (z. B. in der Türkei) in Gebieten mit endemischer Verbreitung eingesetzt. Derzeit werden in der Türkei jährlich alle neugeborenen und nicht geimpften erwachsenen kleinen Wiederkäuer geimpft. Die Serokonversionsraten lagen bei 93 % im Jahr 2018 und 84 % im Jahr 2020.

Diagnostik

Der Virusnachweis kann bereits früh nach Infektion, von hochfiebrigen Tieren und Tieren mit beginnenden Schleimhautläsionen, durchgeführt werden. Proben für die serologische Testung können bereits 6 Tage nach Infektion gezogen werden.

Probe für lebende Tiere:

  • Tupferproben von Nasen-, Augen- und Rachensekret  (keine bakteriologischen Tupfertransportmittel)
  • Blut (EDTA/Heparin) und Serum

Proben von toten Tieren:

  • ganze Tierkörper oder Organe wie z. B.
  • Lymphknoten (speziell Mesenteriallymphknoten)
  • Milz
  • Lunge
  • Darm

Probentransport und Kurzzeitlagerung bei +4 °C

Nachweismethoden:

  • Direkter Virusnachweis: Molekularbiologische Methoden, Virusisolierung
  • Indirekter Virusnachweis (Antikörpernachweis): ELISA

Kontakt

Institut für veterinärmedizinische Untersuchungen Mödling

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Aktualisiert: 02.08.2024